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Vom Abstrakten zum Pseudo-Realen

Digitale Realitäten im Finanzwesen.

Von Wolfgang A. Eck.

Finanzangelegenheiten haben für Kunden oft einen drögen Charakter. Der Einzug von Augmented und Virtual Reality Anwendungen in die Branche könnte den Vertrieb einiger Produkten von dieser Last befreien.

Sich Immobilien in allen Details vorzustellen, ist alles andere als einfach. Früher mussten Architektenpläne oder gut gemachte Illustrationen herhalten und die Fantasie der Interessenten anregen. Doch inzwischen gibt es neue Möglichkeiten. Kleine Modelle aus dem 3D-Drucker kommen zum Einsatz und zaghaft beginnt auch die Immobilienbranche, virtuelle Realitäten (VR) einzusetzen.

„Bislang hat es in Deutschland noch kein Unternehmen im Bauträgersegment gegeben, das ganze Häuser mit Virtual Reality präsentiert.“

Oliver Schwank, Geschäftsführer der Naspa Immobilien GmbH

Oliver Schwank bei der Life-Präsentation des neuen Angebots.
(Foto: Wolfgang Eck)

Schwank sieht sein Unternehmen als Vorreiter und bietet bei einer Vorführung das persönliche Erlebnis per Virtual-Reality-Brille an. Wenn die Brille sitzt, steht man schon vor dem Gebäude, kann die Türklingel betätigen und sehen, ob die Wandfarbe gefällt. Mit dem Stick in der Hand bewegt man sich in der dreidimensionalen Computerwelt. Jedes Zimmer kann besichtigt werden.

Immobilien als Technologieeinstieg

Eine Brücke zwischen Immobilien und anderen Finanzangelegenheiten schlägt SAP mit seiner Anwendung Live-Immersive Banking for Real Estate. Dabei handelt es sich um eine iPhone-App, die Kunden nutzen, wenn sie ein neues Haus suchen und eine neue Hypothek aufnehmen möchten. Sie ist vernetzt mit einem Angestellten der Bank, der auf seinem iPad eine 360-Grad-Sicht auf die Finanzen des Kunden hat.

 „Die Baufinanzierung ist für VR-Anwendungen besonders dankbar, weil man in der Beratung über ein anfassbares Produkt – ein Haus oder eine Wohnung – spricht.“

Fred Schuster, Head of Digital Branch and Workplace der Deutschen Bank
Raumplanung gibt es nun schon vor dem Bau.
(Foto/Screenshot: Naspa)

Neue Anwendungsbereiche erschließen

BNP Paribas experimentiert mit den Brillen im Retailbanking und ermöglicht Kunden das Prüfen des eigenen Kontos in der virtuellen Realität. Weiteres Ziel der Franzosen ist, mit den VR-Brillen einen neuen Kommunikationskanal zum Kundenberater zu schaffen, der dem Kunden als Avatar gegenübertreten würde.

Die Deutsche Bank setzt sich mit dem Thema in mehreren verschiedenen Use Cases intensiv auseinander. Ein virtueller Rundgang in den Towern der Taunusanlage lässt die Dezentralität mancher Filiale in der Provinz vergessen. Auch in die Augmented Reality, die beispielsweise den Bankkunden beim Lesen von Bankunterlagen mittels Smartphone auf Videotutorials oder Hilfeseiten hinweisen könnte, setzt Schuster große Hoffnungen: „In der Vergangenheit war die Technik der limitierende Faktor, heute haben wir die Technik alle in der Hosentasche. Vorerst wird die Entwicklung der Hardware im Fokus stehen, zukünftig wird es dann aber immer mehr um das Thema Software gehen.“

Auch das virtuelle Mitarbeitertraining ist in der Prüfung. Schuster verdeutlicht, dass die konzentrierte, komplett ablenkungsfreie Wahrnehmung in der Virtual Reality nachweisbar einen produktiveren Lernprozess ermöglicht. Die anfassbare Darstellung trägt dazu nicht zuletzt auch bei. Eine besonders interessante Anwendung haben die Digitalingenieure der Bank für das bei Kunden eher unbeliebte, aber notwendige Risk Profiling entwickelt: In einer virtuellen Reise wird anhand der getroffenen Entscheidungen die Risikoneigung des Kunden ermittelt.

Kunst und Technik bringt die HypoVereinsbank zusammen: Sie lässt Interessierte von Schauspieler Axel Milberg durch die Kunstsammlung einer schicken, 3D-animierten Private Banking Filiale führen.

Mehr als nur ein Werbe-Gag

Bei den Deutschen werden die virtuellen Möglichkeiten zwar kreativ eingesetzt, aber verweilt bei vielen Instituten noch auf dem Niveau eines raffinierten Werbe-Gags.

Weiter ist man da am Golf: Die Kunden der National Bank of Oman brauchen sich nicht mehr über eine winzige Karte einer Filialfinder-App zu ärgern, um den nächsten Bankautomaten zu finden. Sie halten in einem Shopping Center oder in der Innenstadt einfach die Kamera hoch und die neue AR-App ergänzt den Blick um Informationen zu Automaten, Filialen und anderen Angeboten der Bank bei Kooperationspartnern wie Restaurants und Shops. Die Technologie unterstützt damit indirekt den Wunsch vieler Banken – gerade auch deutscher – sich über die Kooperation mit dem Handel ein zukünftiges Geschäftsfeld zu erschließen.

// Die Begriffe

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Virtual Reality

Virtuelle Realität (Virtual Reality, VR) ist eine computergenerierte Wirklichkeit mit Bild (3D) und in vielen Fällen auch Ton. Sie wird über Großbildleinwände, in speziellen Räumen (Cave Automatic Virtual Environment, kurz CAVE) oder über ein Head-Mounted-Display (Video- bzw. VR-Brille) übertragen.

Augmented Reality

Augmented Reality (AR) bezeichnet eine computerunterstützte Wahrnehmung bzw. Darstellung, welche die reale Welt um virtuelle Aspekte erweitert. Mit der Integration von Kameras in immer mehr mobile Geräte können zusätzliche Informationen oder Objekte direkt in ein aktuell erfasstes Abbild der realen Welt eingearbeitet werden.

Quelle: Springer Gabler Wirtschaftslexikon

Mixed Reality

Mit Mixed Reality ist die Vermischung von Realität und künstlichen, computererzeugten 2D- oder 3D-Objekten gemeint. In der Mixed Reality können Objekte / Subjekte der realen und virtuellen Welt miteinander interagieren.

Quelle: Giga https://www.giga.de/extra/mixed-reality/

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Ergebnisse einer Befragung zum virtuellen Erlebnis (Baufi-Kalkulator, Sachwertanlagen und Risk-Profile Identifier)

  • 93% der Nutzer haben einen positiven Gesamteindruck gewonnen
  • 87% fanden Bedienung und Navigation intuitiv und verständlich
  • 84% der Nutzer sehen in VR einen Mehrwert
  • 54% fanden die die Brille angenehm zu tragen, 15% unangenehm, 31% indifferent      
  • Befragte: 46% Männlich, 54% Weiblich

Quelle: Deutsche Bank 2019

Der Autor

Wolfgang A. Eck ist Wirtschaftsjournalist bei Financial Publishing in Weilburg/Rhein-Main und Chefredakteur von mehr-magazin.de.

Über Wolfgang Eck

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