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InsurTechs – was hat der Kunde davon?

Beratung versus digitale Flexibilität

von Dr. Jürgen Cramer

Von der Corona-Krise sind auch InsurTechs betroffen, da sie trotz des Sonderpakets der Bundesregierung Kapital nicht mehr im selben Maße wie vor der Krise zur Verfügung gestellt bekommen. Dazu haben die vermeintlich innovativen, digitalen Versicherungsunternehmen noch ganz andere Probleme.

InsurTechs sind „in“. Jung, innovativ, kreativ, schnell, digital. Die gesamte Versicherungsbranche wollen sie revolutionieren und dadurch fit machen für den digitalen Fortschritt. So zumindest der Grundgedanke. Der Abschluss einer Versicherung soll vereinfacht werden. Ein paar Klicks auf dem Smartphone und schon ist man BesitzerIn eines neuen Versicherungsschutzes. Und genauso schnell und unkompliziert hat man einen Vertrag auch wieder gekündigt. Oder einen Schadenfall gemeldet. Durch den Einsatz von Technologieinnovationen sollen Versicherungsmodelle effizienter und für den Kunden kostensparender werden.

Deutsche Start-ups bekamen 2019 so viel Geld wie nie: 6,2 Milliarden Euro. 4,2 Prozent aller Start-ups tummeln sich in der Banken-, Finanzdienstleistungs- oder Versicherungsbranche. Weltweit konnten InsurTechs im vergangenen Jahr 6,35 Milliarden Dollar einsammeln. Aber der Gründungsboom flachte schon vor der Corona-Krise ab. Ein großes Problem stellen die Kunden selbst dar: Viele erkennen keinen Nutzen in den neuen Versicherungstechnologien und stehen der Modernisierung skeptisch gegenüber.

Was Kunden wollen

Um herauszufinden, was der Kunde eigentlich will, hat die Sparkassen DirektVersicherung (S-Direkt) eine Umfrage auf ihrer Homepage durchgeführt. Die Frage lautete: „Wo oder wie würden Sie wahrscheinlich Ihre nächste Autoversicherung abschließen?“ Bei der Beantwortung waren Mehrfachnennungen möglich.

Umfrage zum Abschluss von Autoversicherungen (Quelle: Sparkassen DirektVersicherung)

Das Ergebnis ist eindeutig: Mehr als zwei Drittel der UmfrageteilnehmerInnen gaben an, die nächste Autoversicherung online beziehungsweise telefonisch bei einer Direktversicherung wie der S-Direkt abschließen zu wollen. Und über ein Drittel sprach sich für Vergleichsportale im Internet aus. Auf Platz drei rangiert die Versicherungsfiliale mit direktem Ansprechpartner – allerdings mit erstaunlich weitem Abstand.

Die Erhebung ist zwar nicht repräsentativ, da sie auf der Homepage der S-Direkt (sparkassen-direkt.de) durchgeführt wurde und mutmaßlich eher direktvertriebsaffine Kunden daran teilgenommen haben. Bei einer Befragung auf einem Vergleichsportal wären die beiden Siegerpositionen vielleicht umgedreht ausgefallen. Nichtsdestotrotz zeichnet sich ein klares Ergebnis in Bezug auf InsurTechs ab: Selbst die direktvertriebsaffinen Kunden sprechen sich kaum für die neuen Technologien aus. FinTechs liegen mit einem Prozent Zuspruch noch hinter Google (vier Prozent) und Amazon (drei Prozent) auf dem letzten Platz. Nach einem neuen Trend sieht das nicht aus.

Qualität und Beratung fehlen

Das hat durchaus seine Gründe. InsurTech-Unternehmen werben mit niedrigen Preisen, simplen und schnellen Verfahren via Smartphone, individuell zugeschnittenen Angeboten dank Künstlicher Intelligenz, hoher Flexibilität, Transparenz und Autonomie des Kunden. Von Qualität und fachgerechter Beratung ist jedoch keine Rede. Ebenso mangelt es aus Sicht der Verbraucher oftmals an Informationen zum Beispiel rund um die Maklervollmacht, an Dokumentation und an Datenschutz.

Außerdem sind die Marken bereits etablierter Dienstleister im Versicherungsmarkt viel besser bekannt. Das schlägt sich in geringeren Kunden-Akquisekosten nieder. Es ist nicht leicht, diesen Vorteil allein durch moderne Technologie in den Schatten zu stellen. Vor allem, wo auch die Etablierten gute Online-Antragsstrecken hinstellen können.

Wenig Vertrauen in InsurTechs

Kunden in der Versicherungsbranche setzen oftmals auf bestehende Konzepte. Sie wollen gut beraten werden und beim Abschluss einer Versicherung das Gefühl haben, im Schadenfall kompetent und zuverlässig betreut zu werden. Dazu gehören persönliche Ansprechpartner. Der Chatbot als alleiniger Kommunikationspartner ist nicht gewünscht. Der Mangel an persönlichen Gesprächen kann auch durch die Autonomie und Flexibilität, die ein Vertragsabschluss per Smartphone ermöglicht, nicht aufgewogen werden. Dazu sind etliche Kunden skeptisch, ob InsurTechs tatsächlich vertraut werden kann, ob der angepriesene Service komplikationslos funktioniert und ob solche Unternehmen überhaupt langfristig überleben werden.

Eine Mischung aus innovativer Technologie und herkömmlicher Kundenberatung wie bei der S-Direkt zeigt sich daher zukunftsweisender als jede Versicherungs-App. Kunden der S-Direkt gaben in einer weiteren Umfrage an, dass ihnen direkter Kontakt zum Versicherungsunternehmen besonders wichtig sei. Freundlichkeit, Kompetenz und Schnelligkeit der Angestellten sind das, was eine etablierte Versicherung mit prämiertem Service auszeichnet. Erst durch solch einen Kontakt können maßgeschneiderte und individuelle Versicherungspakete geschnürt werden. Ob online, per Videoberatung, telefonisch, oder direkt vor Ort: Die Beratung wird im Versicherungswesen auch künftig ganz vorne stehen.

Es ist kein Geheimnis, dass die Digitalisierung auch die Versicherungsbranche vor neue Möglichkeiten und Herausforderungen stellt. Veränderungen dürfen aber nicht zu Lasten von Qualität und Verbrauchern durchgeboxt werden. Vor diesem Hintergrund kann man guten Gewissens sagen: InsurTechs werden wohl eher zu Kooperationspartnern von klassischen Versicherern und Vertriebsplattformen heranwachsen als zu Revolutionären. Denn langfristig gesehen gilt es, das solide erlernte Knowhow des Versicherungshandwerks mit den Bedürfnissen des digitalen Zeitalters zu verbinden. Gelingt dieser Spagat, werden die klassischen „Incumbents“ im Versicherungsmarkt so schnell nicht um ihre Bedeutung bangen müssen.

Der Autor

Dr. Jürgen Cramer ist Vorstandsmitglied der Sparkassen DirektVersicherung AG (S-Direkt) in Düsseldorf.

Über Wolfgang Eck

Siehe auch

25 Jahre Insurtech – Blick in die Versicherungsbranche

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